Die Auditive Architektur ist ein künstlerisch-wissenschaftliches Feld, das sich mit der Erforschung und dem Entwerfen von Klangumwelten befasst. Mit der Klangumwelt wird ein Ansatz verfolgt, bei dem Klang nicht als Eigenschaft des physischen Raums verstanden wird, sondern als ein Phänomen, das durch den Prozess des Wahrnehmens an einem Ort und in einer Situation erst emergiert. Zwar ist die Klangumwelt unbestritten an die jeweiligen Schallereignisse und Raumakustiken gebunden – diese sind Bedingungen ihrer Emergenz –, sie lässt sich aber keinesfalls darauf reduzieren. Insbesondere kann sie nicht als von den auditiv wahrnehmenden Personen und ihren Hörbiographien unabhängig verstanden werden. Das Vorwissen und die Erfahrungen der Hörenden, ihre Erwartungen, Gewohnheiten und Vorlieben, ihre Assoziationen und ihre kulturelle Einbettung, aber auch ihre momentane Verfassung sind für die Entstehung des sinngeprägten Phänomens Klangumwelt mit entscheidend. Eine Klangumwelt entsteht überdies nicht unabhängig von den übrigen Sinnen. Sie ist lediglich ein Aspekt der Gesamtwahrnehmung.
Die Berufung auf das Konzept der Klangumwelt ermöglicht der Auditiven Architektur in der Forschung und beim Entwerfen die Gesamtheit der Bedingungen für die Emergenz des sinngeprägten Phänomens Klang mit zu berücksichtigen und das Hören als integrativer Teil der Gesamtwahrnehmung zu behandeln. In der Praxis des architektonischen Entwerfens eröffnen die Ansätze der Auditiven Architektur einen Zugang zum erlebten Raum.
2006 wurde der Begriff Auditive Architektur erstmals von Alex Arteaga und Thomas Kusitzky als Bezeichnung ihrer neu gegründeten Forschungsgruppe an der Universität der Künste Berlin verwendet. Ausgehend von dem Klangumwelt-Konzept entwickelte die Forschungsgruppe Auditive Architektur – später umbenannt in Auditory Architecture Research Unit (AARU) – Ansätze und Methoden zur Erfassung und Gestaltung des auditiv erlebten Raums. Ziel war die Erschließung der klanglichen Dimension für die architektonische Entwurfspraxis.